UNTEN Roundtable No3 // Die Digitalwerbung ist kaputt. Wie reaprieren wir sie?

Wien, November 2017 –„Die Digitalwerbung ist kaputt. Wie reparieren wir sie?“ Um diese brennende Frage zu diskutieren, trafen Experten der Medien-, Werbe- und PR-Branche sowie der Startup-Szene am Dienstag, 14.11., zum Gedankenaustausch im neuen Start-Up-Hub weXelerate im Sofitel Wien am Donaukanal zusammen – ein idealer Ort, um über eine Branche im erneuten Umbruch zu diskutieren. Zum dritten Mal hatte die Netzwerk- und Innovationsplattform Digital Hub Vienna mit dem VANGARDIST Magazin zur Experten-Diskussionsrunde „UNTEN“ eingeladen.

Die Moderation übernahm erneut Journalistin Eva Weissenberger. Die ehemalige News-Chefredakteurin animierte die teilnehmenden Werbe- und Marketing-Profis, Medienvertreter/innen sowie junge innovative Startup-GründerInnen zu einer regen Diskussion über die digitale Werbewelt, User- und Kundendaten, den Menschen als Ware, Algorithmen und Targeting-Werbung mit VR, AR, Growth Hacking, Spinning-Tools & Co., sowie über die übermächtigen US-Giganten wie Google und Facebook, die fast die gesamten Werbeeinnahmen auffressen.

 

Klassische Werbung versus Google und Facebook, Big Data und junge wilde Technologien

Fakt ist, seit Jahren brechen Werbeeinnahmen weg. Medienhäuser und -verlage kämpfen um Anzeigen, sowohl Print als auch Digital. Ein massives Problem sei, dass an Google und Facebook 95% der Werbeeinnahmen gehen. „Nur mit Display-Werbung allein können wir seit Jahren kein Geld mehr machen. Es mussten eigene Softwarelösungen entwickelt werden, um am Werbemarkt bestehen zu können“, wirft ein Diskussionsteilnehmer ein. Problematisch sei auch, dass die 2017 vorausgesagten 16% Wachstum der Werbung in Österreich primär an Facebook und Google gingen. Umgerechnet bleiben pro digitalem Euro nur mehr 40 Cent in Österreich, alles andere fließt in die US-Giganten.

Nicht verwunderlich also, dass ein Umdenken stattfindet und Userdaten nicht mehr nur einen Mehrwert, sondern oberste Priorität haben. Unternehmen wollen jedes Detail über ihre Kunden wissen, und mit den innovativsten Technologien und Tools, wie etwa Growth Hacking, Buzzfeed, Spinning, Virtual Reality und Augmented Reality, funktioniert das auch: Man weiß z.B. wann der Kunde aufsteht, wo er arbeitet, was er am Weg zur Arbeit macht, wie er sich wann und wo im Internet bewegt, wo und wann er Urlaub macht. Man weiß auch wie lange ein User welches Online-Spiel spielt. „So sammeln wir Daten aus allen Klicks – 20.000 Datensätze pro Sekunde. Wir können unseren Kunden so viele Daten zur Verfügung stellen, sodass sie auf jeden einzelnen User zugeschnittene Werbung und Kampagnen machen könnten. Ich kaufe mittlerweile den User, nicht den Content“, erklärt ein Diskussionsteilnehmer.

Eine wichtige Rolle spielen hier die sozialen Medien, da diese Kanäle die schnellste und günstigste Möglichkeit sind, Produkt-Experimente und -Tests am bzw. mit Kunden durchzuführen. Das funktioniert über alteingesessene Medien gar nicht.

Selbst das Fernsehen ist technologiegetriebener. Das Schlagwort lautet „Aggressive TV“, etwa regionalere Inhalte mit genau auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnittene und geschaltete Werbung, sowie die massive Ausweitung auf den digitalen Bereich.

 

Was nun? Nur mehr in Algorithmen denken? Wieder Tschüss Influencer-Marketing?

Für die Zukunft müssen klassische Medien, vor allem Zeitungen, lernen, ihre gesammelten Userdaten auch zu nutzen. Zudem haben viele Zeitungen Werbung bisher nur aus der publizistischen Ebene heraus produziert und können mit Neuheiten oft nicht mithalten. Dies zeige sich am Beispiel Native Content, das ermöglicht, Markenbotschaften direkt auf hochwertigen themenrelevanten Zielseiten zu platzieren. Obendrein haben viele Medien selbst kräftig in Werbung auf Google investiert. Doch gerade hier ändern sich ständig die Rahmenbedingungen bzw. Algorithmen – welche Werbung wann, wo und wie funktioniert.

Werbung generell, so scheint es, muss immer jünger, wilder, kreativer und mit den neusten Technologien umgesetzt werden. Kunden-Datenmanagement ist das A & O. Mobile-Werbung ist mittlerweile der lukrativste Markt. Doch hier lebt die Werbewelt heute in zwei Welten. Denn Unternehmen und Marken setzen auch wieder auf althergebrachte Klassiker. Und das gehypte Influencer-Marketing erlebt gerade einen Rückgang. Warum? Die junge Zielgruppe hat erkannt, dass ihre Idole auf YouTube und Instagram Produkte meist nur gekonnt bewerben und „verkaufen“, weil sie dafür Geld bekommen. Eine nicht enden wollende Disruption also. Nur wie erreicht man nun die neuen Konsumenten der Generation X und Y, hält außerdem die älteren Zielgruppen an der Stange und platziert sein Produkt am besten im „Schein“werferlicht und auf welchen Kanälen?

 

Der nächste Schritt: eingepflanzte Chips und der Mensch als Ware.

Technisch gesehen geht schon wirklich alles. Es gibt sogar Menschen, die sich Mikrochips in den Körper einspritzen oder einpflanzen lassen, die etwa das Flugticket obsolet machen, obwohl sie wissen, dass sie damit ein komplett gläserner Mensch und für Unternehmen nur noch eine Daten-Ware sind. Da stellen sich auch ethische Fragen. Aber wie werden wir dann in Zukunft Werbung konsumieren? Wie an Produkte herangeführt? „Man kauft nicht mehr den Content, man kauft heute den User. Und der wird immer teurer“, sagt ein Teilnehmer abschließend.

 

Es diskutierten: Reinhard Bösenkopf (Cayenne Werbeagentur), Andre Eckert (Russmedia digital), Vald Gozman (stereosense GmbH), Stefanie Groiss-Horowitz (Pro7Sat1Puls4ATV), Verena Gruber (Europäisches Forum Alpbach), Gerald Grünberger (VÖZ), Gerlinde Hinterleitner (Der Standard), Jens Hurtig (Digital Hub Vienna), Lukas Jens (adrule GmbH), Gerrit Kerkmann (adrule GmbH/Expert Predictiv Targeting), Birgit Kraft-Kinz (Digital Hub Vienna), Sebastian Krause (Journalist Missing Link), Florian Lang (NEXT Marketing Innovations), Alexander Mayer (hackabu), Lucas Schärf (Content Garden Technologies GmbH), Matthias Seiringer (ORF Enterprises), Eva Weissenberger (Hurrikan), Julian Wiehl (Vangardist Magazine).

Fotocopyright: Digital Hub Vienna/Hron

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